11.07.2022: Redebeitrag zur Kiezdemo „Für eine bunte
Neustadt“
Gentrifizierung
Von wie vielen Bekannten habt ihr in den letzten Monaten schon
gehört, dass sie sich Sorgen machen, ihre Miete nicht bezahlen zu
können? Von wie vielen Fällen, in denen Menschen aus diesem und
anderen teils rechtmäßig umstrittenen Gründen aus ihrer Wohnung
geworfen wurden? Wie oft seid ihr schon durch Dresden gelaufen und
habt euch über wieder neue Bonzen-Bauten geärgert, die
beispielsweise ehemalige Grünflächen ersetzen? Wie viele Kneipen, in
die ihr mal gerne gegangen seid, haben über die Jahre schließen
müssen? All das sind Beispiele für die Gentrifizierung, die auch hier in
Dresden vor sich geht. Gezielte Investitionen in verschiedene
Stadtteile, von denen man sich einen möglichst hohen Profit
verspricht, verdrängen jahrelange Mieter*innen aus ihren Häusern und
ziehen zeitgleich reichere Bevölkerungsgruppen an. Damit geht auch
in der Regel ein starker sozialer und kultureller Wandel einher, was
man hier beispielsweise merkt, wenn eines nach dem anderen
überteuerten, hippen Restaurant öffnet, von denen letzten Endes fast
nur Touris etwas haben, während Kulturprojekte hinten
herunterfallen. In Dresden – oder um genauer zu sein hier in der Äußeren Neustadt –
hat der Gentrifizierungsprozess schon etwa in den 90er-Jahren
angefangen. Zuvor war in der DDR auf sozialen Wohnungsbau gesetzt
worden, während Sanierungen in Altbauquartieren wie beispielsweise
der Äußeren Neustadt eher selten durchgeführt wurden. Deshalb
befanden sich die Altbauten Anfang der 90er größtenteils in einem
schlechten, dem Verfall nahen Zustand, wodurch dieser Stadtteil zu
einem „Ort der Subkulturen“ wurde: Es gab einige besetzte Häuser,
Kulturprojekte, Stadtteilzeitungen, autonome Cafés; es wurde ein
Rückzugsort für Menschen, die der alltäglichen kapitalistischen
Verwertungslogik entfliehen wollten. So schön das klingt und
vermutlich auch war – man muss sagen, diese Entwicklung war ein
erster Schritt in Richtung Gentrifizierung. Die Klärung der
Eigentumsverhältnisse und die Rückführung von Wohnungen in private
Hand Mitte der 90er ebnete der Gentrifizierung dann endgültig den
Weg. Sanierungen und Renovierungen führten zu einem Steigen der
Mieten um etwa 700 % innerhalb von 4 Jahren, teils wurden brutale
Verdrängungsmethoden angewandt und die Bewohner*innen des Stadtteils
wechselten in großen Teilen. Und heute vollzieht sich ein Prozess, der dazu zwar auch deutliche
Unterschiede aufweist, dem beschriebenen Prozess dennoch in den
Grundzügen ähnelt. Wie anfangs erwähnt: steigende Mieten,
Bauprojekte verschiedener Investor*innen und und und. Dazu kommt,
dass die Neustadt sich immer mehr zu einem Ort entwickelt, an den
abends betrunkene Touris kommen, die kaum Rücksicht auf Anwohnende
geben, und an dem sich Faschos und andere Rechte wohl genug fühlen,
um ein paar Runden zu gehen oder gar queere und linke Menschen
anzugreifen. Wir haben uns im Klaren zu sein, dass wir uns bei diesen Problemen
nicht auf bürgerliche Politiker*innen verlassen können, die sich
nach den Interessen von Unternehmen und Investor*innen richten. Das
beste Beispiel dafür ist der Ausgang der „Deutsche Wohnen
enteignen“-Bürgerinitiative in Berlin, deren Ziele unter Mithilfe
des ach so sozialen Rot-Rot-Grünen Senat leider vermutlich
untergraben werden. Während wir uns also bewusst sind, dass eine
Lösung nicht innerhalb des Kapitalismus existiert, setzen wir uns
für die Erhaltung von linken Freiräumen, Szenecafés und möglichst
bezahlbaren Wohnraum ein. Es wird Zeit, dass das Verdrängen von
Anwohner*innen wie Arbeiter*innen und ihren Familien ein Ende hat.
Genauso wird es Zeit, dass wir die Äußere Neustadt als Freiraum und
Schutzraum vor Nazis begreifen können! Wir sagen nein dazu, dass sich Bonzen und Investoren auch die
letzten Räume nehmen und die letzten Mieten erhöhen. Unsere Devise
lautet daher: Lasst uns den Widerstand organisieren, bekämpfen wir
dieses System!